Unter diesem alarmierenden Motto haben Lehrer und
Schüler des St. Aloysius College in Mangalore am 13. Dezember zu einer Podiumsdiskussion eingeladen und zu dem anschließenden Marsch mit brennenden Kerzen aufgefordert.
Auslöser dieser Aktion war die Vergewaltigung und grausame Ermordung einer 27-jährigen Frau in der Nähe von Hyderabad, die im ganzen Land für Aufruhr gesorgt hat. Leider sind Taten wie diese in Indien noch immer kein Einzelfall. Was diesen Fall allerdings von anderen unterscheidet ist die vollzogene Selbstjustiz einiger Polizisten. Diese hatten nämlich beschlossen, auf eigene Faust ‚Gerechtigkeit‘ an den vier festgenommenen Tatverdächtigen zu üben, und sie kurzerhand erschossen. Ohne feste Beweise, ohne gerichtlichen Prozess.
„Sexueller Missbrauch ist eine der gröbsten Menschenrechtsverletzungen der Welt, eins der am wenigsten verfolgten Verbrechen und eine der größten Bedrohungen für anhaltenden Frieden und für Entwicklung.“
Die einleitende Diskussion auf dem Schul-/Universitätsgelände hat sich sowohl mit den verschiedenen Gründen und Auswirkungen von Gewalt an Frauen, Kindern und Schwachen als auch mit dem menschlichen, gesellschaftlichen und politischen Versagen, welches oftmals hinter solchen Taten steckt, befasst. Die Diskussion war sehr spannend, reflektiert und bewegend.
Mit Plakaten, die das Entsetzen über die Tat in Hyderabad oder die Entschlossenheit, sich für eine gerechtere Zukunft einzusetzen bekunden, wollen die Studenten bei dem ansonsten schweigsamen Marsch ihre Anliegen deutlich zeigen.
Besonders interessant war die Debatte über die vollzogene Selbstjustiz der Polizisten, welche im ganzen Land als Helden gefeiert wurden, gerade weil sie den mutmaßlichen Tätern das Recht auf einen gerichtlichen Prozess genommen haben. Dass die Toleranz gegenüber sexueller Gewalt vor allem in urbanen Gegenden endlich beginnt, maßgeblich zu sinken, ist ja sehr wünschenswert, dass aber Gewalt, Mord und die grobe Verletzung des Rechts auf einen fairen Prozess von Menschen im ganzen Land gefeiert werden, ist erschreckend und erschütternd. Aber viele Menschen, nicht nur innerhalb einiger Frauen- und Menschenrechtsorganisationen, wollen sich auch dagegen auf friedliche Weise wehren und davor warnen. Es wäre falsch zu denken ganz Indien habe die Besinnung verloren.
Ein relevanter Punkt, der bei dieser Debatte aufkam, befasste sich mit der Einführung von Capital Punishment (Todesstrafe) für schuldige Vergewaltiger, die von vielen Menschen gefordert wird. Nicht nur, dass diese Art der Bestrafung natürlich eh sehr umstritten ist, sondern sie wäre auch beinahe das schlimmste, was man den Opfern von sexueller Gewalt antun könnte. Das liegt daran, dass sich ja eh nur ein Bruchteil der misshandelten Frauen traut, die Verbrecher anzuzeigen. Noch immer ist es so, dass die allermeisten Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen innerhalb einer Familie oder zumindest innerhalb bekannter Kreise erfolgen. Die Frauen schämen sich oft, haben Angst davor, was passieren könnte, wenn Menschen in ihrem Umfeld von der Klage erfahren und oft wollen sie auch schlichtweg nicht, dass einer bekannten Familie der Sohn/Ehemann/Vater weggenommen wird.
Man stelle sich nun vor, dass eine erfolgreiche Klage gegen den Verbrecher dessen Tod zur Folge hätte. Welche Frau würde sich denn nun noch trauen zur Polizei zu gehen? Wie viele der betroffenen Frauen würden denn überhaupt selbst wollen, dass der Verbrecher sterben muss, dass er keine weitere Chance bekommt und nie wieder für seine Familie sorgen kann?
Es muss doch andere Wege geben.
Das Problem ist vielschichtig und tiefgründig und es muss auf allen Ebenen noch so viel passieren, bis Indien ein sicheres Land für alle ist. Es muss noch viel getan werden, bis man von wahrer Prävention und nicht nur von erfolgreicher Verurteilung solcher Verbrechen sprechen kann. Die Diskriminierung von Frauen, Kindern, Schwachen und Minderheiten aller Art ist erschreckend und es tut weh zu sehen, dass Vorfälle wie der oben genannte den internationalen Ruf Indiens prägen, wo es doch so viel Wunderbares hier gibt.
Es gibt noch viel zu tun und in einer Organisation wie Prajna, die sich für die Rechte und ein besseres Leben von Betroffenen aller Art einsetzt, verliert man nicht ganz die Hoffnung, dass einige Leute an einigen Orten dieses Landes durchaus bereits auf dem richtigen Weg sind, die Veränderungen in Gang zu setzen, die die Menschen so dringend brauchen.